Clematis-Züchtung in Sachsen

FassadenGrün verkauft Schling- und Kletterpflanzen aus der Baumschule Sachs in Radebeul / Sachsen, z. B. auch dort entstandene Züchtungen großblumiger Clematis-Hybriden. Anlässlich eines Besuches im Herbst 2015 gab es dazu im Büro der Gärtnerei ein Gespräch mit Herrn Sachs und seiner Tochter Frau Tolksdorf. Es ist auf dieser Seite veröffentlicht.

Von links: Herr Taraba / FassadenGrün, Frau Tolksdorf u. Herr Sachs / Baumschule Sachs
Von links: Herr Taraba / FassadenGrün, Frau Tolksdorf u. Herr Sachs / Baumschule Sachs

Herr Sachs, Sie haben zu DDR-Zeiten in Ihrer Baumschule Rosen sowie Pfirsich vermehrt und 1993 auf Kletterpflanzen umgestellt. Wo werden Ihre Pflanzen verkauft?

Herr Sachs:  Wir sind in der Gärtnerei und auf Pflanzenmärkten präsent, aber auch Großhändler und Gartencenter werden beliefert. Unsere Homepage informiert über Termine und den Online-Versand.

 

Seit Jahren arbeiten Sie auch an neuen Clematis-Hybriden. Es gibt jedoch schon tausende – was motiviert einen da, noch weitere zu züchten?

Herr Sachs:  Nun, ich bin Mitglied der "Internationalen Clematis-Gesellschaft" und in der halben Welt herum gekommen, habe mich umgeschaut und überall Clematis gesehen. Da reizt einen das Thema natürlich und man denkt: In diese oder jene Richtung ließe sich doch züchterisch noch etwas machen! Und dann versucht man es, da ist schon Ehrgeiz im Spiel. Der Durchbruch kam zur Bundesgartenschau 2005 in München mit einer der begehrten Medaillen für unsere neuen Sorten, und genau so plötzlich kam die Nachfrage. Wir sollten tausende Stück liefern und waren dem Ansturm kaum gewachsen!

 

Wie läuft das eigentlich ab, eine „Clematis züchten“? Lassen sich Züchtungsziele formulieren, die Sie verfolgen?

Herr Sachs:  Ausgangspunkt ist stets eine schon vorhandene, bestimmte Sorte, die man züchterisch bearbeiten will und der man den eigenen Pollenstaub wegnimmt und sie so zur „Mutterpflanze“ macht. Per Pinsel wird dann von einer fremden Clematis, die eingekreuzt werden soll ("Vatersorte") der Pollenstaub aufgebracht.

Frau Tolksdorf: … oder man geht weniger gezielt vor und lässt es die Natur machen, indem die Mutterpflanze ohne Pollen hingestellt wird in die Nachbarschaft anderer Clematis, und von irgend einer wird schon Pollenstaub kommen, per Wind oder Biene….

Herr Sachs: …. Ja, das gibt’s auch im echten Leben, dass das mit der Vaterschaft manchmal nicht so klar ist!

Frau Tolksdorf:  Und dann bildet die Mutterpflanze Samen, die werden ausgesät und viele gehen auf. Nach 2 Jahren werden die kleinen Sämlinge sortiert, sie zeigen verschiedenes Wuchsverhalten. Die schwachen werden aussortiert und landen auf dem Kompost, alle kräftigen wachsen weiter. Manche zeigen sich dann krankheitsanfällig, auch sie werden aussortiert. Ein Jahr später bilden die verbliebenen dann zum ersten Mal Blüten, da kommt die dritte Auslese, verbunden mit der Frage: Was sieht interessant und neu aus? Ist womöglich etwas dabei, was es bei Clematis-Hybriden noch nie gab? Die ultimative, von allen Züchtern herbei gesehnte gelbe Clematis? Also, nur die besonderen Pflanzen werden weiter gepflegt, alle anderen kompostiert, auch solche, die z. B. nur 4 statt 6 oder 8 Blütenblätter zeigen und damit kein volles, rundes Erscheinungsbild….

Herr Sachs:  Eine Pflanze haben wir mal drin gelassen, nur weil meine Enkelin es wollte, und sie hat sogar einen Namen bekommen. Tja, und manchmal ist auch nur Unbrauchbares dabei, dann geht alles auf den Kompost und die Arbeit war umsonst…. Abschließend werden die ausgelesenen Clematis noch über Jahre beobachtet: Bleibt die Blütenfarbe konstant oder ändert sie sich? Das wäre ein Ausschlußkriterium. Bekommen die Pflanzen Mehltau? Wichtig für uns ist noch, dass die neuen Sorten sich für Kübelkultur eignen, die Blüten sich in Stabhöhe bilden und nicht irgendwo an ellenlangen Trieben weit oberhalb des Spaliers. Und erst nach 10 Jahren, wenn Blütenfülle und Blühdauer getestet sind, sollte der Züchter mit einer neuen Sorte an die Öffentlichkeit gehen und sie in England registrieren lassen.

 

Das klingt nach viel Arbeit und wenig Feierabend. Können Sie das bestätigen?

Herr Sachs:  Das stimmt, viel Zeit haben wir in der Gärtnerei eigentlich nie. Deswegen läuft die Zuchtarbeit bei uns nebenher. Aber es ist immer wieder spannend, wenn schöne, neue Sorten entstehen.

 

Hier in Sachsen herrscht raues Klima, was sagen die Clematis dazu?

Frau Tolksdorf:  Natürlich gedeihen Clematis im milden Küstenklima, also an der deutschen Ostsee oder in Estland besser als hier. Aber für die Züchtung hat Sachsen auch Vorteile: Pflanzen, die durch die hiesige Auslese kommen, haben den Winter kennengelernt. Sie sind robust und abgehärtet!

 

Wer züchtet außer Ihnen noch neue Clematis in Deutschland?

Herr Sachs:  Hier sind wir mit der Firma Westphal ziemlich allein auf weiter Flur. In England, Estland und Holland passiert wesentlich mehr.

 

Bei Rosen und Weinreben ist bekannt, dass sie im Garten-Center oft unter Phantasienamen verkauft werden. Sie heißen dann "Paradiesrose", "Gelbe Tafeltraube" oder ähnlich, um die Herkunft zu verschleiern. Ist das bei Ihren Clematis auch möglich? Kann es sein, dass ein Kunde eine Sachs-Clematis kauft und den wahren Sortennamen nicht erfährt?

Herr Sachs:  Ja, das ist möglich, wenn sie nicht bei uns gekauft wird. Umso mehr freuen wir uns, wenn Händler die von uns gezüchteten Sorten auch mit Zuchtname und Herkunft benennen!

 

Sie vermehren nicht nur eigene Züchtungen, sondern viele bekannte Clematis und Schlingpflanzen. Wie steht es mit der Pflanzerde, wo Torf doch so rar und der Abbau ökologisch bedenklich ist?

Herr Sachs:  Das betrifft uns kaum, denn wir produzieren eigene Erde – aus Kompost und mit möglichst wenig Torf! Die Pflanzerde wird hier auf dem Hof gedämpft, also erhitzt, um die Unkrautsamen zu töten, es ist ein Kreislauf.

 

Wie wählen Ihre Kunden Clematis aus?

Frau Tolksdorf:  Das ist total verschieden. Viele lassen sich beraten, manche sehen eine bestimmte Blüte, und diese Pflanze möchten sie haben. Andere suchen die ultimative, "eierlegende Wollmilchsau": Groß, mehrfarbig, gefüllt, dauerblühend, top-gesund und immergrün - das ist natürlich eine Illusion. Manche wollen sich auch nicht mit den Schnittgruppen befassen, dann empfehlen wir unsere pflegeleichten Stauden-Clematis.

 

Entsteht hier ein neuer Trend?

Herr Sachs:  Ja, neben den Clematis-Hybriden rücken kleinblütige Sorten vermehrt in den Fokus. Das gilt auch für sonnige, warme Fassaden, wo die großblumigen Hybriden kaum eine Chance haben. Stauden-Clematis wiederum sind optimal als Begleiter für Kletterrosen, die unten verkahlen!

 

Herr Sachs, ein Blick in die Zukunft: Sie sind 77 Jahre alt – wie geht es weiter mit dem Betrieb?

Herr Sachs:  Das Marktumfeld für kleine Gärtnereien ist schwierig und wird nicht besser. Doch wir bleiben ein Familienbetrieb – die Übergabe ist erfolgt und ich bin jetzt im „Unruhestand“!

 

FassadenGrün wünscht alles Gute und dankt für das Gespräch!