Historischer Weinbau und Rebenschnitt

Der Legende nach war es ein Esel, der die Menschen zum Rebenschnitt brachte: Irgendwo in Palästina knabberte er kräftig an einem Weinstock, zum Entsetzen der Dorfbewohner. Als aber dieser Stock dann besonders große Früchte trug, kamen die Leute dahin, künftig alle Weinstöcke zu beschneiden... So amüsant die Vergangenheit auch ist - es sollte sich jeder Hobbywinzer doch auf die Gegenwart besinnen und moderne Schnittanleitungen verwenden. Warum, erfahren Sie hier.

Neu gepflanzte Weinreben sind fast immer veredelt, und zwar meist auf stark wüchsige Unterlagen wie 5 BB und 125 AA. Während man den unveredelten Hausreben früher zur Pflanzung mit riesigen Pflanzgruben, Zentnern von Rindermist und "Jauchegüssen" auf die Sprünge half, sind die (für kargen Weinbergboden) veredelten Reben heute im Hausgarten oft eher zu starkwüchsig und müssen anders behandelt werden. Hier können Sie überprüfen, ob Ihre Rebe diese Eigenschaft hat.

 

Die im historischen Weinbau üblichen Sorten fruchteten meist nur beim so genannten langen Schnitt, bei einer Schnittform also, die den Weinstock tendenziell sehr erschöpft. Aufgrund der geringeren Wuchskraft musste ein Abgang am Stammgerüst dann über 3 Jahre schrittweise von kurzem hin zu mittlerem und langem Schnitt entwickelt werden, trug dann also nur aller 3 Jahre Früchte. Alle Abgänge am Weinstock unterlagen dann zeitversetzt diesem Turnus, das Verfahren war quasi ein "Wechselschnitt" und gewiß nicht einfacher als heutige Schnittmethoden.

 

Hinzu kam, dass jenes Weinbaugebiet seine ganz eigenen Erziehungsmethoden und Schnittformen hatte, erst ab ca. 1930 setzte eine Vereinheitlichung ein.

 

Der eigentliche Hauptschnitt bei Weinreben erfolgt ja bekanntlich im Winter. In alten Büchern wird aber der Eindruck vermittelt, dass am Weinstock nur Früchte wachsen, wenn auch im Sommer ständig herumgeschnipselt wird. Besonders auf die Beseitigung bzw. Kürzung der "Geiztriebe" in den Blattachseln wurde viel Mühe verwandt. Bei historischen, nicht pilzfesten Sorten war dies vielleicht nötig, doch wer heute noch all diese Behandlungen durchführen und die Übersicht behalten will, läuft Gefahr, in der Psychatrie zu landen und die Traubenlese zu verpassen..... Inzwischen wurde sogar der Wert dieser Geizblätter für die Ernährung der Rebe erkannt, oder neue Sorten werden gleich auf geringe Geizbildung gezüchtet, dann ist das Problem erledigt.

 

Rebenschnitt ist ein Thema, das mitunter auch heute noch emotionsgeladen diskutiert wird! Was sich in einer Gegend mit bestimmten Sorten bewährt, wird anderswo als unsinnig abgelehnt. Zum Glück ist der Weinstock eine flexible Pflanze, die viel mit sich machen lässt und auch nach dem extremsten Schnitt willig treibt. Der größte und häufigste Fehler beim Rebenschnitt ist eigentlich, dass zu wenig geschnitten wird. Wer seinen Stock über die Jahre beobachtet, wird schnell dahinter kommen, auf welche Schnittform seine Rebe gut anspricht und wo korrigiert werden muss.