Auslichtungsschnitt bei Reben

Schon durch einmaliges Unterlassen des Winterschnittes kann eine Hausrebe verwahrlosen, und nach einigen Jahren ist die Unterlassung verheerend. Selbst falsch geschnittene Reben lassen sich einfacher in Form und Ertrag bringen als gar nicht beschnittene! Mit einem kräftigen Auslichtungsschnitt lässt sich eine verwahrloste Weinrebe aber oft retten.

Was heißt "verwahrlost"?

Eine Weinrebe kann alt und knorrig sein, ineinander verschlungene, dicke Stämme haben und trotzdem völlig intakt sein. Das Geäst ist dann wandnah geführt, die Pflanze ist dicht belaubt und oft bis in den Bodenbereich "grün" (Bild 01), sie hat gesunde Blätter und Trauben.

Anders bei Bild 02: Eine verwahrloste Hausrebe hat sehr viel Geäst mit schwachen Trieben und oft auch kranke Blätter. Mitunter befindet sich im Geäst schon viel trockenes Totholz. Das Grün ist insgesamt nur noch spärlich, hängt weit über bzw. von der Wand weg und erstreckt sich vorrangig auf die oberen Bereiche.

Rodung oder Erhalt?

Diese Frage stellt sich als nächstes und hängt auch vom Mehltaubefall ab. Kenner überschauen den Befall auch im Winter an Art und Aussehen von vertrockneten Beeren, die meist noch an einigen Trauben hängen. Sind sie spaltenförmig geplatzt, so dass die Kerne durchscheinen, ist dies ein untrügliches Zeichen für starken Mehltaubefall ("Samenbruch"). Auch lilafarbene, netz- bis fleckenförmige Verfärbungen am sonst eher hellbraunen Vorjahresholz zeigen Mehltau an.

Mehltau alleine kann auch an einer eigentlich robusten, sogar pilztoleranten Weinrebe entstehen, wenn sie vernachlässigt wurde, und erfordert allein noch nicht zwingend eine Rodung. Inzwischen gibt es genügend neu gepflanzte und eigentlich "gute", weil pilztolerante Rebstöcke, die ungepflegt dastehen und deren unbeschnittenes Trieb-Gewirr nach einigen Jahren Kopfzerbrechen bereitet. Diese Stöcke sind auf jeden Fall erhaltenswert.

Wenn aber die oben beschriebenen und bei Bild 02 sichtbaren Anzeichen von schlechter Vitalität und der Mehltau zusammen kommen, kann die Rebe nicht ohne professionelle Spritzungen erhalten werden und es sollte besser gerodet werden.

Auslichtungsschnitt

Soll die Weinrebe bleiben, erfolgt ein Auslichtungsschnitt. Es wird zunächst das Stammgerüst gelichtet, indem die dicken Stamm-Arme eingekürzt oder je nach Gesamtbild (Freie Fächerform) auch ganz abgeschnitten werden. Danach werden viele der noch verbliebenen dünneren Seitentriebe entfernt. Es verbleiben lediglich einige gut verholzte Triebe des letzten Jahres - erkennbar an einer hellbraunen, graubraunen oder braunroten Färbung - und zwar im Abstand von ca. 15 bis 60 cm entlang der Stammschenkel. Diese Triebe werden später zu neuen Abgängen formiert und sollten möglichst direkt oder zumindest nahe am Stammgerüst entspringen, am günstigsten sind Wasserschosse des Vorjahres. Von diesen Trieben werden die mehr unten stehenden tendenziell kürzer geschnitten (Zapfen und Strecker), die oberen länger (Strecker und "Bogen").

Im schlimmsten Fall sind gar keine stammnahen Vorjahrestriebe zu finden, dann bleibt nur ein Rest des Stammgerüstes stehen, aus dem dann wie bei einem Neuaufbau aus "schlafenden" Augen neue Triebe wachsen.

Formieren und Binden

Nun werden die einzelnen Stränge entsprechend einer ins Auge gefassten Erziehungsform formiert. Meist wird das zunächst die freie Fächerform sein (Bild 03). Dann folgt das Binden. Es wird dahingehend verfeinert, dass alle Neutriebe mit mehr als 4 - 6 Augen noch waagerecht gebunden werden, sofern das möglich ist, ohne die Triebe abzubrechen. So wird ein gleichmäßigerer Austrieb gewährleistet. In den Folgejahren werden die neuen Abgänge dann entsprechend der Erziehungsform weiter formiert.